Die Folgen von Unfairness
Auch Unfairness bleibt nicht folgenlos. Natürlich kann es uns etwas „bringen“, im Berufsalltag zu „tricksen“, persönlichen Druck aufzubauen, Statistiken zu „schönen“, Informationen zurückzuhalten usw. . Es stellt sich jedoch die Frage: Was „bringt“ unfaires Verhalten wem und wann?
Dreistigkeit siegt – oder?!
Unser Glaube, sich mit unfairem Verhalten Vorteile verschaffen zu können, speist sich aus realen Erfahrungen. Wir alle kennen Fälle, in denen sich dreistes, freches Verhalten „durchgesetzt“ hat, sei es auch nur beim Vordrängeln an der Supermarktkasse. Es lohnt sich jedoch, auch die folgenden Fragen zu stellen: Was bringt es auf lange Sicht? Um welchen Preis hat er oder sie sich unfair durchgesetzt?
Der Preis, den wir dafür zahlen
Unfairness hat ihren Preis. Auch wenn der Unfaire unter Umständen (zunächst) einen „Gewinn“ erzielt, er zahlt dafür aber auch einen „Preis“. Hier ist eine „doppelte Buchführung“ sinnvoll. Schauen wir uns deshalb die Buchungsposten auf der Soll-Seite genauer an. Es droht dem Unfairen nämlich langfristig ein „Fehlbetrag“. Ein bekanntes und markantes Bespiel: der VW-Abgas-Skandal. Durch die Unfairness der verantwortlichen VW-Manager und Mitarbeiter (u.a. Irreführung der Verbraucher) hat sich der Konzern finanzielle Vorteile verschafft (Umsatz, Kosteneinsparungen usw.). Diesem „Gewinn“ stehen mittlerweile Kosten gegenüber, die sich z.T. in Geldbeträgen genau beziffern lassen (z.B. Strafzahlungen), zu einem großen Teil aber auch zunächst nicht finanziell zu definieren sind (Vertrauensverlust, Imageschaden, Demotivation von „unbescholtenen“ VW-Mitarbeitern, ggf. Haftstrafen für einzelne Personen usw.).
Es geht aber auch einige Nummern kleiner im täglichen Berufsalltag. Dort haben Sie es mit Menschen zu tun, die Sie nicht nur einmal sehen und dann nie wieder. Mit dem Projektteam z.B. oder dem Auftraggeber werden Sie über eine gewisse Zeit in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Unfaires Verhalten wird Ihnen früher oder später „heimgezahlt“. Wer als Teammitglied z.B. gegenüber dem Auftraggeber die Leistungen der Kollegen als seine eigenen darstellt, wird über kurz oder lang nicht mehr auf die Hilfsbereitschaft und Kooperation der anderen hoffen dürfen.
Fairness ist ansteckend, Unfairness aber auch
Bei der Unfairness zeigt sich eine negative Anziehungskraft, eine selbst erfüllende Prophezeiung (»Menschen sind unfair«) hin zum Schlechteren.
Menschen nehmen unfaires Verhalten sehr genau wahr und sie sind anschließend häufig bereit, diese Unfairness mit gleicher Münze heimzuzahlen (siehe dazu „Weber, Bernd: Ungerechtigkeit pflanzt sich fort„). Es entsteht in der Folge schnell eine Spirale der Unfairness. Im Volksmund nennen wir das: „Wie Du mir, so ich Dir.“
Wer sich unfair verhält, sollte in seine Kalkulation deshalb mit einberechnen, dass er zukünftig nur eingeschränkt mit Fairness ihm selbst gegenüber rechnen kann. Im Berufsalltag zeigt sich dies z.B. in Form von innerer Kündigung, Verweigerung und manchmal auch Sabotage durch einzelne Mitarbeiter.
Unfairness tut weh, ist ungesund und kostet! „Ein schwerwiegendes Problem, ist es demnach, wenn „Unfaire“ nicht bestraft werden. Wir empfinden dann Ärger und Stress, das wiederum ist ungesund für uns.“ (Prof. Tania Singer beim Internationalen Fairness Forum der Fairness-Stiftung am 29.10.2011 in Frankfurt)
Empirische Forschungen zeigen es immer wieder: So sind z.B. die Fehlzeiten durch psychische Leiden stark angestiegen. Die Arbeiten von Christine Pearson und Christine Porath („The Cost of Bad Behavior“) seien hier exemplarisch als Beleg genannt. Oder auch verschiedene Arbeiten zum Thema Mobbing, wie z.B. Gerd Arentewicz, Alfred Fleissner, Dieter Struck: „Mobbing“, Peter Teuschel: „Mobbing“, Werner Rügemers „Arbeitsunrecht“ (zitiert im Fairnessreport 10/11 aus 2011, S. 29) Es zeigen sich insgesamt umfassende psychosomatische und psychiatrische Störungsbilder bei Mobbing-Opfern. Wer als Führungskraft schon einmal längere Fehlzeiten von Teammitgliedern auffangen musste, weiß ein Lied davon zu singen.
Der Spieltheoretiker Prof. Dr. Reinhard Selten, aber auch Prof. Ernst Fehr haben verschiedentlich darauf hingewiesen (siehe u.a. Spiegel 5/2006 S. 125, aber auch beim Internationalen Fairness-Forum 2008 der Fairness-Stiftung Frankfurt), dass wir von Folgendem ausgehen können:
15% der Menschen sind grundsätzlich unfair. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich eher unfair verhalten ist recht groß.
Die entscheidende Frage ist: Was passiert mit denen? Wie gehen wir mit ihnen um?
Wenn das unfaire Verhalten nicht sanktioniert wird, hat dies Auswirkungen auf das Verhalten vieler anderer. Ohne Sanktionierung ziehen die Unfairen die breite Masse mit in die Unfairness bzw. das „reziproke Fairnessgefühl“ der Mehrzahl wird verletzt.
„Ungerechtigkeit wird weitergegeben“: Der Teufelskreis unfairen Verhaltens
Eine neue Studie zeigt: Menschen, die sich unfair behandelt fühlen, verhalten sich anschließend selbst unfair, und zwar auch gegenüber Unbeteiligten. Forscher der Universitäten Bonn und Lübeck fanden heraus, dass die durch Unfairness entstehende Wut und Aggression häufig in Form von eigener Unfairness gegenüber Dritten weitergegeben wird. (Quelle: Pressemitteilung Uni Bonn vom 01.03.2016).
Ungerechtigkeit verursacht demnach weitere Ungerechtigkeiten. Der Volksmund hat also nur zum Teil recht: „Wie Du mir, so ich Dir“ muss ergänzt werden: … „Wie Du mir, so ich Dir … und Anderen auch noch.“
Es entsteht so ein Teufelskreis sich gegenseitig verstärkender Unfairness.
Deshalb ist ein ganz entscheidender Punkt:
Den Teufelskreis unfairen Verhaltens zu durchbrechen!!!
Es braucht ein konsequentes Sanktionieren, eine ausgeprägte „reziproke Fairness“ (Damit ist die Bereitschaft gemeint, auf die Verletzung von Fairnessnormen mit Sanktionen zu reagieren, siehe u.a. https://www.psychologie-heute.de/news/emotion-kognition/detailansicht/news/dem_egoismus_das_stirnhirn_bieten/ )